Man muss dafür geschaffen sein

Michael Keunecke (24) ist Bestatter und führt das Familienunternehmen seines verstorbenen Vaters fort.

WESEL. Auch eine Beerdigung will geplant werden. Wieviele Menschen kommen? In welches Restaurant soll es im Anschluss an die Trauerfeier gehen? Welche Blumen sollen geordert werden? Pfarrer oder Grabredner? Die Fragen stellt ein junger Mann im dunklen Anzug. Ernst und sachlich. Es ist sein Job. Zwischendurch macht er Notizen, zeigt Mappen mit verschiedenen Gestecken. „Irgendwie bin ich schon eine Art Event-Manager“, sagt Michael Keunecke. Nicht Michael, der Wedding-Planner, sondern Michael, der Bestatter. Deshalb steckt in seiner schwarzen Aktentasche auch ein Ordner mit Sarg- und Urnenmodellen. Die Veranstaltungen, die der Weseler organisiert, stehen nicht im Kalender. Niemand denkt gerne an diesen Moment, vorhersehen lässt er sich nicht.

Die Familie, bei der der 24-Jährige zu Gast ist, hatte erst einen Tag zuvor einen Todesfall zu beklagen. Der betagte Senior lebte in einem Wohnheim. Es hatte sich zumindest abgezeichnet, dass es zu Ende geht. Trotzdem, der Schock bei den Angehörigen sitzt tief. „Viele wissen im ersten Moment gar nicht, was auf sie zukommt“, weiß Keunecke.

Fragen sollen im Trauergespräch geklärt werden. „Jedes ist anders, man muss immer schauen, wie die Familien reagieren. Aber es gilt immer, möglichst souverän und kompetent aufzutreten“, betont Keunecke, „schließlich verlassen sich die Leute auf uns.“ Menschenkenntnis ist gefragt. Manche Kunden befinden sich immer noch in der Schockphase, wenn der Bestatter aufkreuzt. Sie durch zuviel Fragerei unter Druck zu setzen, wäre fatal. „Man darf sie nie stressen. Der Eindruck kann schon durch Kleinigkeiten entstehen, etwa wenn ich auf die Uhr schaue.“ Seriosität als oberstes Prinzip. Der Bestatter sollte immer versuchen, sich nicht selbst zu sehr von einem Fall mitnehmen zu lassen – auch wenn es manchmal schwerfällt, gerade wenn Kinder gestorben ist.

Gesprächsstoff im Urlaub

„Es ist ein normaler Beruf“, meint der Weseler, „aber man muss dafür geschaffen sein.“ Der 24-Jährige, der einen smarten Eindruck macht, hat leicht reden, er ist damit aufgewachsen. Die Firma gründete 1993 sein Vater Michael, seinen ersten Toten sah der Junior mit 16. „Er lag auf einer Couch, sah aus, als würde er schlafen“, erinnert sich Keunecke, der seit dem Tod des Vaters 2004 die Firma zusammen mit seiner Mutter Margit führt. Ein Familienunternehmen, wie so viele in der Branche.

Wenn Keunecke und seine Freundin im Urlaub neue Leute kennen lernen und das Gespräch beim Bierchen irgendwann auf den Beruf kommt, ist der Abend gerettet. „Wie, du bist Bestatter? Erzähl mal.“ Das reicht für eine stundenlange Konversation. „Ansonsten wird aber selten über das Thema gesprochen, auch in der Öffentlichkeit nicht.“ Der Tod ist immer noch ein Tabu. Es gibt Menschen, die sich bekreuzigen, wenn Keunecke im Leichenwagen vorbeifährt. Wenn irgendwo berichtet wird, dann oft über die schwarzen Schafe der Branche. Während die alteingesessenen Firmen, so Keunecke, ein kollegiales Verhältnis untereinander pflegen, sind ihnen neue Anbieter mit „Discount-Beerdigungen“ ein Dorn im Auge. „Die haben auf den ersten Blick Dumping-Preise, aber bieten halt nie den kompletten Service an. Am Ende wird sich dann geärgert, weil es doch viel teurer wird als gedacht.“ Im Gespräch wundern sich Angehörige meist, was Bestatter mittlerweile alles machen.

Zum großen Teil muss organisiert werden

„Die Zeiten, als wir reine Sargverkäufer waren, sind vorbei.“ Allein von den „Holzkisten“ leben könnten Keunecke & Co. ohnehin nicht mehr. So kümmern er und seine Berufskollegen sich zum Beispiel auch darum, die Einladungskarten zu verschicken oder den Verstorbenen bei Versicherungen und anderswo abzumelden. Die Leute haben schließlich andere Sorgen, als sich in solchen Situationen noch mit Rentenbescheiden und Ämtern herumzuschlagen.

Keunecke arbeitet in einer Branche, die über Arbeit nicht klagen kann. So abgedroschen es klingt, gestorben wird immer. Organisatorische Aufgaben machen einen Großteil des Jobs aus. Dazu kommt noch die Beschäftigung mit den Toten selbst, was für Außenstehende wohl der makaberste Teil ist. 80 Prozent der Verstorbenen werden aus Krankenhäusern abgeholt. Sie müssen gewaschen, für die Beerdigung hergerichtet und angezogen werden.

„Wir empfehlen den Leuten oft, ihre Angehörigen in Kleidung zu beerdigen, die sie zu Lebzeiten gerne getragen haben. Es muss nicht immer ein Anzug sein.“ Auch Seriosität hat ihre Grenzen. Ein Schalke-Fan trat schon mal in königsblauem Dress seinen letzten Weg an. Ein Stück Normalität, würdevoll bleibt es trotzdem. Angehörige sollten, rät der Bestattermeister, immer noch mal einen Blick auf ihren Verstorbenen werfen: „So bekommt man es in den Kopf, dass jemand tot ist.“ Das macht die schwierige Situation zumindest etwas leichter, glaubt der Experte.

Quelle: WAZ, Manuel Praest, Foto: Olaf Fuhrmann, 31.10.2007
http://www.derwesten.de/nrz/staedte/nachrichten-aus-wesel-hamminkeln-und-schermbeck/man-muss-dafuer-geschaffen-sein-id2014217.html#plx202607362

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert